Dann wäre ein Verbrennerverbot ab 2035 gar nicht notwendig, um die Klimaschutzziele zu erreichen?
Ein Verbrennerverbot wäre nicht nur nutzlos für den Klimaschutz, es wäre sogar klimaschädlich. Dafür gibt es viele Gründe. Der erste Hauptgrund betrifft die Themen Ressourcen und Klimaschutz: Die von der Politik als einzige Alternative gesetzte Elektromobilität würde den Ressourcenbedarf stark erhöhen und wäre sehr klimaschädlich, da sie das für das 1,5-Grad-Ziel noch vorhandene globale Restbudget an CO2 durch erhöhte CO2-Emissionen schneller aufbrauchen würde. Diese sogenannten CO2-Rucksäcke entstehen insbesondere beim Batteriebau für die Autos, im Betrieb durch Erhöhung des Kohlestrombedarfs, durch den notwendigen Aufbau neuer Infrastruktur für das Aufladen der Autos sowie durch erhöhten Recyclingaufwand. Zudem würde eine Fokussierung auf Elektromobilität den Klimaschutz dort unterdrücken, wo der Hebel am größten wäre, und zwar bei 98 Prozent der Fahrzeugflotte, die mit Verbrennungsmotoren ausgestattet ist.
Welchen Hauptgrund sehen Sie noch?
Essenziell für die Energiewende wird es sein, Strom zu sparen, weil der erneuerbare Strom der Engpass der Energiewende sein wird. Die bei weitem wichtigste Säule der Energiewende werden daher grüne Moleküle (reFuels bzw. erneuerbare Brenn- und Kraftstoffe) in Verbindung mit stromsparenden Verbrennungssystemen (Verbrennungsmotoren, Ölheizungen usw.) sein. Denn schon heute werden in Deutschland rund 70 Prozent der Energie in Form von Molekülen (Öl, Gas, Kohle) importiert. <br><br>Diese derzeit noch fossilen Moleküle müssen durch grüne ersetzt werden. Wind und Sonne decken in Deutschland nur sieben Prozent des Endenergiebedarfs und sind zur Deckung des stark steigenden Stromgrundlastbedarfs in allen Sektoren nicht geeignet. Am besten transportierbar, lagerfähig und in der bestehenden Infrastruktur einsetzbar wären die grünen Moleküle als flüssige Energieträger mit hoher Energiedichte. Die grünen Moleküle können einerseits hocheffizient als abfallbasierte eFuels in Deutschland produziert werden und würden dann im Falle ihres Einsatzes als Kraftstoff um Faktor 3 bis 5 weniger Strom pro Fahrstrecke als ein Elektroauto benötigen. Andererseits können die grünen Moleküle aber auch als Luft-CO2-basierte eFuels in Ländern mit einem Überschuss an erneuerbarer Energie produziert und von dort importiert werden, wo die Herstellungskosten unter einem Euro pro Liter liegen und der Energiebedarf für die Herstellung keine Rolle spielt.
Prof. Dr. Thomas Willner ist Professor für Verfahrenstechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg). Zudem hat er gemeinsam mit zwei weiteren Gesellschaftern das Technologieunternehmen Nexxoil mit Sitz in Hamburg gegründet, um die nächste Generation der Biomasse- und XtL-Technologie zu entwickeln und zu vermarkten. Die Grundlage dafür bildet